Das Umdenken hat bereits begonnen

Veröffentlicht am 06.07.2013 in Veranstaltungen

Dr. Flassbeck bei seinem engagierten Vortrag

Fast 50 interessierte Gäste ließen sich vergangenen Mittwoch im Ailinger Gasthof Adler von Heiner Flassbeck in den Bann ziehen. Dr. Flassbeck, ehemaliger Chefvolkswirt der UNCTAD und ehemaliger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, gelang es mitreißend und nachvollziehbar, seine Gedanken zu den Ursachen der aktuellen Euro- und Wirtschaftskrise zu formulieren.

Nur einmal war es an diesem Abend still im Saal, als Peter Lutat, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Ailingen, nämlich zur Begrüßung die Stationen im Arbeitsleben von Prof. Dr. Flassbeck vorstellte. Das beeindruckte Schweigen wich aber schnell der Lust zur Nachfrage und zum Mitdenken, wozu Dr. Flassbeck von Beginn seiner freien, einstündigen Rede an einlud. Seine zentrale These lautet, dass in einer Währungsgemeinschaft nur eine einzige Regel beachtet werden müsse, damit der Verbund funktioniere: Alle Länder müssen ihre nationalen Löhne im gleichen Maße erhöhen, wie die Produktivität im eigenen Land zunimmt. Wenn die Produktivität eines Landes steigt, müssen die Löhne in diesem Land in gleichem Maße steigen, damit die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes im Vergleich zu den anderen Eurostaaten unverändert bleibt. Ein Abweichen von dieser Regel sei ein Zeichen von ökonomischer Unwissenheit und habe schwere Folgen für das Eurosystem, so Dr. Flassbeck.

Während Frankreich sich in den vergangenen zehn Jahren konsequent an diese Grundregel hielt, erhöhten einige südeuropäische Länder die Löhne zu stark, vor allem aber wurden den deutschen Lohn- und Gehaltsempfängern deutlich zu geringe Lohnzuwächse zugestanden. Zusammen mit deutlichen Steuersenkungen für die gesamte Wirtschaft erhöhte sich nach Flassbeck die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands daher so sehr, dass Unternehmen anderer Staaten vom Markt verdrängt wurden. Exportüberschüsse und Verschuldung des Auslands seien die logische Folge, zugleich sei der deutsche Binnenmarkt entsprechend schwach. "Wir sind also darauf angewiesen, dass das Ausland unsere Produkte kauft und sich verschuldet, da im Inland aufgrund der niedrigen Löhne zu wenig gekauft wird".

Zugleich müsse das in Deutschland erwirtschaftete und gesparte Geld angelegt werden, damit es Zinsen abwirft. Auch hier sei man angewiesen auf Schuldner, die dieses Geld aufnehmen. Da deutsche Haushalte und Unternehmen sparen und der deutsche Staat als Schuldner bereits jetzt ausfalle (die Schuldenbremse hat Verfassungsrang), bleibe aus ökonomischer Sicht lediglich ein letzter Akteur, der dieses Geld aufnehmen kann: das Ausland.

In einer sehr engagiert und kompetent geführten Diskussion wurden dann eine weitere Stunde lang Verständnisfragen gestellt, Statements abgegeben und Lösungsstrategien hinterfragt. Dabei kristallisierte sich Heiner Flassbecks Haltung immer deutlicher heraus: Die den Schuldnerländern abverlangten Sparmaßnahmen werden auf die wirtschaftliche Situation Deutschlands zurückfallen und müssen wirkungslos bleiben, solange die deutsche Lohnentwicklung derart deutlich unter der zunehmenden Produktivität zurückbleibe. Letztlich drohe ein Austritt der Schuldnerländer aus der Währungsunion, verbunden mit einer deutlichen Abwertung ihrer neuen Währung, wodurch der deutsche Exportsektor "über Nacht zusammenbrechen würde." Diese Sicht der Dinge, so berichtete Flassbeck, setze sich nach und nach in der internationalen Bewertung der Krise durch, letztes Anzeichen dafür sei eine Diskussion hochrangiger internationaler Politiker und Ökonomen vergangene Woche in Luxemburg: "Deutschland isoliert sich mit seiner Wirtschaftspolitik zunehmend und immer deutlicher."

Weitere Informationen, Argumente und Daten sind auf der Homepage des Ökonomen Heiner Flassbeck zu finden: www.flassbeck-economics.de